Die Krux mit der guten Fee

Aufgrund meines Pflegegrades habe ich das Privileg, dass meine Krankenkasse einmal in der Woche finanziell für eine Haushaltshilfe aufkommt. Dafür bin ich sehr dankbar, denn es gibt Dinge im Haushalt, die ich nicht mehr bewerkstelligen kann.
In den letzten zwei Jahren war ich sehr verwöhnt, was meine kleine Fee betrifft. Fachlich und menschlich war sie für mich einzigartig und irgendwie unersetzbar. Der Abschied von ihr fiel mir sehr schwer, ich trauere ihr immer noch hinterher. Nach meinem Umzug muss ich mich nun an eine neue Helferin gewöhnen.
Sie ist nett, die Neue. Zwei Mal war sie bereits in meiner Wohnung tätig. Dann schickte das Unternehmen, bei dem sie engagiert ist, einmaligen Ersatz. Seit dieser Begegnung vor ein paar Tagen erwische ich mich dabei, darüber nachzudenken, welche ambivalenten Gefühle sie in mir auslöste. Sie war eine halbe Stunde zu früh. Als ich die Tür öffnete, strahlte sie mich entwaffnend an. Perfektes Makeup, die roten Haare in einer dramatischen Hochsteckfrisur auf ihrem Oberkopf drapiert und ein Outfit, als wäre sie gerade auf dem Weg zu einem vielversprechenden Date, so stand sie vor mir. Nun gut, jeder so wie er sich wohlfühlt. Nach einer kurzen Einweisung zog ich mich auf mein Sofa zurück und ließ sie machen. Das, was folgte war fast Comedy…
Ich versuche immer, möglichst unsichtbar zu sein, während mein Haushalt auf Vordermann gebracht wird, und so wenig wie möglich zu stören. Die Aushilfsputzfrau hingegen wollte gerne plaudern. Meine einsilbigen Antworten sollten ihr eigentlich zeigen, dass ich wenig Lust auf nen lustigen Klönschnack mit ihr hatte. Schließlich lag meine Priorität darin, dass sie in möglichst kurzer Zeit möglichst viel in meiner Bude sauber machen würde.
Sie würde gern im Bad anfangen, hieß es. „Jo, mach mal!“ Im Badezimmer plauderte sie mit sich selbst. Das fand ich irritierend aber auch irgendwie leicht komisch. Dort fertig schaute sie um die Ecke und fragte, ob dies mein einziges Bad sei. „Ähhhhhm, hallo? Wie viele Türen siehst du? Und sie stehen alle offen! Glaubst du, ich habe da in meiner 2-Zimmer Wohnung noch ein geheimes Bernsteinzimmer hinter nem Bücherregal?“ Ich verspürte den leichten Drang, zu fragen, ob sie nen leichten Sprung in der Schüssel hätte, verkniff es mir jedoch. Schließlich bin ich ein höflicher Mensch.
Als sie die Mülltüten raus bringen wollte, erklärte ich ihr, dass die Mülltonnen vor der Haus stehen würden und mit dem Hauschlüssel zu öffnen seien. Sie merkte an, das sie wohl zwei Mal gehen müsse, denn die Tüten seien ja sehr schwer. Mir lag auf der Zunge, zu sagen: „Baby, es ist mir vollkommen egal, wie oft du gehst, ob du vorwärts oder seitwärts trabst, Hauptsache, der Müll kommt unten in die Tonnen!“ Aber ich lächelte sie an und nickte nur. Nach 10 Minuten war sie zurück. Im Keller hätte sie die Mülltonnen nicht finden können… Also musste sie erst mal suchen. Und es war auch wirklich schwer, das Schloss zu entriegeln. Den Schlüssel muss man nämlich anders drehen, als normal. Ah ja, ist klar…
Nun kommentierte sie meine Einrichtung. Ich hätte ja einen ganz tollen Geschmack. Sie wäre ja ganz ähnlich eingerichtet, so in weiß, grau und rosé. Das wären ja voll ihre Farben. Und woher ich denn die schöne Deko in der großen Vase hätte. „Amazon“, presste ich knapp hervor. „Ach, und wie nennt man das?“ Das Tourette in mir wollte einfach nur laut „Gestrüpp“, rausschreien. Ich antwortete jedoch brav aber schmallippig „rosa Pampasgras künstlich“.
Sie grinste debil und begeisterte sich dann erst für das übergroße Porträt von mir an der Wand und dann für meine nackten Füße. „Oh, hast du schöne Füße. Und nen Ring am Zeh… stört der nicht?“ „Nicht so sehr, wie deine debilen Kommentare“, dachte ich mir. Meinen Lippen entfuhr jedoch nur ein kurzer gutturaler Laut. „Der Sofatisch ist ja echt schön, aber eher unpraktisch“, kommentierte sie, während sie mit nem Lappen über den Tisch ging. „Der ist von Ikea oder?“ „Nein“, knurrte ich leise und dachte darüber nach, ob es wohl Körperverletzung oder Notwehr sei, wenn ich ihr den Staublappen einfach in den Mund stopfen würde.
Madame wollte nun staubsaugen. Ich hörte den Sound des Saugers und dachte “Yeah, endlich Ruhe und keine dummen Fragen mehr.“ Kurz nach dem Anschalten ging der Sauger jedoch wieder aus. Das passierte so vier, fünf Mal hintereinander. „Ich glaub, dein Sauger ist kaputt“, hörte ich sie vom Flur aus quäken. „Ich mach ihn an“… kurze Pause… „und immer wenn ich los saugen will, geht er wieder aus“. Sie führte mir das Desaster vor.
Also quälte ich mich vom Sofa, nahm ihr den Sauger aus der Hand, drückte den Einschaltknopf, betätigte den Knopf für eine höhere Saugstufe und saugte. „Ach sooooooo“, grinste Putzi „ich hab immer oben gedrückt“. „Jo, Schnecke, das ist der Knopf zum Ein- UND wieder Ausschalten!“ In meiner Fantasie dotzte ich ihre Stirn drei Mal mit Schwung gegen die Betonwand, nahm jedoch von der Umsetzung dieser erzieherischen Maßnahme wieder Abstand, seufzte leise und kehrte auf mein Sofa zurück.
Die restliche Zeit ihres Wirkens verbrachte ich in einer Warteschleife am Telefon und war das erste Mal dankbar dafür, vom netten Sachbearbeiter immer wieder nach nem kurzen Gespräch weiter verbunden zu werden. Meine Haushaltshilfe brabbelte stumpf und unaufhörlich vor sich hin, während sie den Boden wischte. Nach zwei Stunden hatte das Elend endlich ein Ende. Sie verabschiedete sich, ich hatte wieder eine blitzblanke Wohnung.
Was jedoch bleibt, ist ein leicht fader Beigeschmack. Anstatt einfach nur dankbar für diese Hilfe im Haushalt zu sein, schreibe ich diese Geschichte humorvoll nieder, um auch andere zu unterhalten. Und nun stelle ich mir immer wieder die Frage, ob es in meiner Lage überhaupt in Ordnung sei, sich über andere Menschen lustig zu machen. Wäre es nicht angebrachter, einfach Demut zu üben? Denn jeder trägt sein eigenes Handicap mit sich herum.
„Demut besteht nicht darin, sich geringer als die anderen zu fühlen, sondern sich von der Anmaßung der eigenen Wichtigkeit zu befreien.“ (Matthieu Ricard)
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